Vom Küehmällen
Milch war auch im alten Ballwil ein Grundnahrungsmittel. Man konsumierte sie in Form von Käse, Nidel oder unverarbeitet. Damals nahm man Milch nicht als Getränk zu sich, sondern als eine Art Suppe: Milch wurde „gegessen“.
Lebensmittel wie Milch konnten auch ein Lohnbestandteil sein.
So war das jedenfalls beim Taglöhnerehepaar Caspar Täschler und Anna Maria Müllibach.
Caspar Täschler war heimatberechtigt in Inwil und wohnte „seit dem Krieg“, also seit dem Zweiten Villmergerkrieg von 1712 in Ballwil, beim alten Kirchmeier Jakob Ineichen im Neuhaus.
Am 12. Februar 1737 hatte das Paar geheiratet.1 Caspar war damals bereits Witwer und hatte eine Tochter namens Margreth. Anna Maria Müllibach stammte aus Malters. 1743 waren sie beide etwa 46 und 40 Jahre alt.
Nun stand das Ehepaar da, vor dem Verhörrichter in Luzern. Weshalb? Die Ineichen vom unteren Schloss hatten sie erwischt – als sie bei ihnen nachts heimlich Kühe gemolken hatten.
Caspar Täschler erklärte, dass er bei den Schloss-Ineichen als Taglöhner arbeite. Sie hätten ihm als Lohn Mehl und Milch versprochen; aber die Milch hätten sie nicht gegeben. So haben er und seine Frau einige Male nachts auf der Weide die Kühe von Joseph und Luntzi Ineichen gemolken; „haben sich selbst zalt gemacht“. Er hatte sich dabei nicht wohl gefühlt: Er sei ein Tauner, und nachts wolle er eigentlich ruhen. Aber er wollte auch nicht, dass seine Frau schon wieder heimlich alleine loszog. Deshalb ging der Mann schliesslich mit. Aber schon beim dritten Mal seien sie nachts um etwa zwei Uhr ertappt worden; sie hätten insgesamt nur etwa zweieinhalb Mass Milch genommen.
Das Melken der Kühe war im Alpenvorraum eine typische Frauenarbeit; wohl auch deshalb war Anna Maria Müllibach die treibende Kraft hinter dem nächtlichen „Küehmällen“. Der Ratsrichter fragte, ob sie denn die im Lidlohn versprochene Milch nicht auf dem regulären Weg eingefordert hätten. Nein, das haben sie nicht.
Die beiden baten um Gnade und Barmherzigkeit und gelobten Besserung.
Der Ratsrichter verhängte über die beiden eine Prangerstrafe. In Luzern sollten sie am nächsten Tag, dem Dienstag und damit dem Markttag2, eine Stunde mit einem Milcheimer neben dem Pranger stehen, und am folgenden Sonntag sollten sie zu Ballwil vor der Kirchentüre ebenfalls mit einem Milcheimer aufgestellt werden:
„1743 den 16ten herbstmonat seind beyde vorstehende Examina vor Rhat verhört, vnd erkent worden, daß mann und weib sammenthafft morndrigen dienstag eine stunde lang neben den pranger, und künfftigen sonntag vor die kirchen=thür zu Ballwyll beyde mahl mit einem milch=eymer gestellet werden sollen.“ 3
Wer jedoch fälschlich jemanden als „Küehmäller“ beleidigte, konnte ebenfalls bestraft werden. So geschah es der Anna Bucher von Ballwil, die den Burkhard Huwiler als „Küehmehler“ gescholten hatte – „und sich nit erfunden“, es hatte sich nicht bestätigt. Sie musste eine Busse von 2 Gulden 10 Schilling bezahlen.4
1 Ehebuch Ballwil.
2 Solche Gerichtsstrafen wurden bevorzugt an den Markttagen exekutiert.
3 StALU Cod 4720, Turmbuch 1743/44, fol. 85r bis 87v.
4 StALU AKT 11Q/726, Landvogteirechnung 1742/43, Bussen.